pressemitteilung

Forderung der Bürgermeister aus dem Werra-Meißner-Kreis


Die 16 Bürgermeister im Werra-Meißner-Kreis sehen ihre Städte und Gemeinden zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, die ihre Kapazitäten und Ressourcen übersteigen. Daher sagen sie: "Halt! So geht es nicht weiter!" Auf den übergeordneten Ebenen ist dringend ein Umdenken notwendig, denn der bisherige Weg führt eher in eine Sackgasse als auf eine Autobahn.

In einer gemeinsamen Initiative fordern Kommunen und Verbände das Land Hessen anlässlich der laufenden Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD auf, eine kritische Überprüfung der Aufgabenverteilung, eine Priorisierung der wesentlichen Aufgaben und einen umfassenden Bürokratieabbau vorzunehmen.

Die Kommunen stehen neben den sichtbaren Krisen vor einer beispiellosen, aber von außen nicht sofort erkennbaren Herausforderung: Ein immer dichter werdendes Netz von Vorschriften und Verordnungen, die sowohl auf EU- als auch auf Bundes- und Landesebene beschlossen werden, bindet wertvolle Ressourcen und beschränkt die Handlungsfähigkeit der Kommunen. Eschweges Bürgermeister Alexander Heppe bringt es auf den Punkt: „Die Kommunen sterben am Aufgabeninfarkt. Wir brauchen dringend eine Entlastung, um effektiv für unsere Burger arbeiten zu können."

Die Bürgermeister vertreten eine Vielzahl von Perspektiven und betonen die Bedeutung lokaler Expertise. „Lokale Akteure wissen am besten, was die Menschen vor Ort benötigen. Diese Expertise muss genutzt werden", erklärt Meißners Bürgermeister Friedhelm Junghans. Die Finanzierung stellt ein weiteres kritisches Thema dar. Wanfrieds Bürgermeister Wilhelm Gebhard kritisiert: „Die Fördermilliarden des Bundes, des Landes und der EU, die sich in einem nicht mehr zu durchschauenden Dschungel aus Fördertöpfen befinden, kommen nur teilweise den Projekten vor Ort zugute. Ein Großteil des Steuergeldes wird für die Verwaltung und Prüfung der einzelnen Projekte auf vielen unterschiedlichen staatlichen Ebenen verwendet bzw. verschwendet."

Kleine Kommunen mit vergleichsweise geringem Personalkörper haben aufgrund der Komplexität und des Antragsumfangs kaum noch die Chance, an Fördermittelaufrufen teilzunehmen. Oftmals muss man abwägen, ob man überhaupt noch Fördermittel beantragt oder ob man die erforderliche Zeit für die Antragstellung nicht besser der eigenen Verwaltungsleistung und damit den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen lässt", so Gebhard. „Und sind dann doch mal Fördermittel erfolgreich beantragt worden, geht die Bürokratie für Mittelabrufe, Verwendungsnachweise und Berichtswesen weiter".

Die Bürgermeister fordern konkret mehr Vertrauen und Handlungsspielraum vom Land. Witzenhausens Bürgermeister Daniel Herz betont: „Mehr Vertrauen und Handlungsspielraum vom Land sind essenziell für unsere Arbeit." Anstatt immer neue Vorgaben zur Kontrolle der Kommunen zu machen, sollte dieser Aufwand lieber für die Entlastung der Kommunen und damit der Bürgerinnen und Bürger vor Ort verwendet werden. „Die immer weiter steigenden Standards bei Kindergartenbetreuung, Feuerwehrgerätehäusern oder im Umweltbereich müssen wieder auf ein vernünftiges Maß beschränkt werden", fordert Ringgaus Bürgermeister Mario Hartmann.

Wir können uns den Regelungswahn und die immer neuen Aufgaben und Versprechen in dieser Form in der kommunalen Familie schlichtweg nicht mehr leisten", mahnt Hessisch Lichtenaus Bürgermeister Dirk Oetzel an. „Mit der derzeitigen Diskussion über die Kreisumlage schieben wir das Problem auch nur örtlich hin und her; wirkliche Lösungen müssen dringend von Land, Bund oder der EU kommen", erklärt Großalmerodes Bürgermeister Finn Thomsen.

Berkatals Bürgermeister Lutz Bergner bringt es auf den Punkt: „Wenn ich mir privat etwas nicht auf Dauer leisten kann, dann muss ich mich entscheiden, was ich haben möchte und auf was ich verzichten kann." Eine solche Priorisierung der Aufgaben wünschen sich die Bürgermeister von der zukünftigen Landesregierung.

Wehretals Bürgermeister Timo Friedrich erklärt: „Mit immer neuen Vorschriften und DIN-Normen ist es in den letzten Jahren unmöglich geworden, öffentliche Bauvorhaben bezahlbar umzusetzen. Gerade mit Blick auf die Kindergärten und auch die Freiwillige Feuerwehr sind solche Investitionen dringend notwendig!"

Dem stimmt auch Meinhards Bürgermeister Gerhold Brill zu und bemängelt insbesondere die Förderpraxis des Landes Hessen bei den Feuerwehrinvestitionen: „Meinhard hatte ja aus diesem Grunde bereits gegen das Land Hessen geklagt. Die neue Landesregierung steht in der Pflicht, dass sich die Förderungen zukünftig nach den tatsächlichen Kosten richten und nicht nach viel zu niedrigen Phantasieaufwendungen."

Waldkappels Bürgermeister Frank Koch sieht das Konnexitätsprinzip ausgehebelt: „Das Prinzip 'Wer bestellt, bezahlt gilt auch für das Land. Die Anforderungen zu erhöhen und dann die Kommunen bei der Finanzierung im Regen stehen zu lassen, geht einfach nicht."

Mit Sorge betrachtet auch Bad Sooden-Allendorfs Bürgermeister Frank Hix die Entwicklung: „Erstmal wird sich nur in den Rathäusern aufgeregt, aber spätestens wenn Leistungen gekürzt werden müssen oder die Abgabenlast erheblich steigt, spüren auch die Bürgerinnen und Bürger vor Ort, dass etwas nicht stimmt."

Herleshausens Bürgermeister Lars Böckmann merkt kritisch an: „Als kleine Kommune leiden wir ähnlich wie die Unternehmen unter ständig steigenden Berichts- und Dokumentationspflichten, die wertvolle Zeit kosten, uns jedoch vor Ort keinen Schritt weiterbringen."

Ein aktuelles Beispiel für den Bürokratieaufwand bei den Kommunen ist die Katzenschutzverordnung. Zahlreiche Ehrenamtliche engagieren sich im Kreis in Tierschutzorganisationen. lhr Wunsch ist es, dass mit einer Katzenschutzverordnung, welche die Kastrationspflicht für Freigängerkatzen vorsieht, die Katzenpopulation begrenzt wird. Dazu müssen sie jedoch bei jedem Rathaus einzeln vorsprechen, denn in Hessen wurde die Zuständigkeit auf die Kommunen übertragen. Weißenborns Bürgermeister Thomas Mäurer erläutert: „Die Übertragung der Katzenschutzverordnung auf die Kommunen ist ein Paradebeispiel für unnötige Belastungen, weil sich jede Kommune einzeln mit dem Thema beschäftigen muss, um exakt dieselbe Regelung zu treffen. Das hätte deutlich effizienter auf einer höheren Ebene geregelt werden können."

Mit dem massiven Zeitverzug und der erheblichen Kostensteigerung beim Bau der A44 spürt der Bund selbst, wie er sich mit den zahlreichen Vorschriften beispielsweise zum Vergaberecht selbst lähmt", weist Sontras Bürgermeister Thomas Eckhardt auf die aktuelle Diskussion hin. Ähnlich sieht es auch sein Kollege Bürgermeister Marcus Stolle aus Neu-Eichenberg: „Bei der dringend notwendigen Umgestaltung des Bahnhofs sieht man das Ergebnis von Regel- und Zuständigkeitswahn: Es geht einfach nicht voran."

Die Bürgermeister des Werra-Meißner-Kreises stehen geschlossen hinter der Forderung. Sie appellieren an die zukünftige Landesregierung, den Kommunen mehr Autonomie zu gewähren und die bürokratische Last zu verringern. Dies würde nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger unmittelbar verbessern. Der Appell ist ein klares Zeichen für die Notwendigkeit einer neuen, partnerschaftlichen Beziehung zwischen Land und Kommunen, in der die Kommunen als gleichberechtigte Akteure in der praktischen Gestaltung der Zukunft anerkannt werden.